Ein Korsett für St. Martha

Zum Stand des Wiederaufbaus


Der kleine weiße Punkt markiert das andere Ende des Bohrlochs. Da hinein kommt ein Eisenstange und an deren beide Enden große Beilagscheiben und Schrauben. So werden die brüchigen Wände zusammengehalten. (Foto: Rieger)

Seit Anfang Oktober haben sich die Aktivitäten auf der Baustelle noch verstärkt. Zwei bis vier Firmen sind täglich zugange.

Noch immer – und auch noch länger – geht es nur um die Sanierung des Bestandes, also noch nicht den eigentlichen Wiederaufbau. Aber bald wird auch von außen etwas zu sehen sein.

Weil die Statik der Kirche bedenklich unter dem Brand gelitten hat, hat die Kirche in den letzten Wochen eine Art Stahlkorsett bekommen. Rundherum sind längs durch alle Wände – teils auch auf mehreren Ebenen – Löcher gebohrt und dann mit Stahlstangen und großen Beilagscheiben an den beiden Enden verschraubt worden. Somit können sich Risse nicht weiter vergrößern und die Wände bekommen die nötige Stabilität, damit sie später das Dach tragen können.

Die Bohrungen haben viel Lärm und Staub verursacht – nicht immer zur Freude unserer Nachbarn. Doch sie waren bitter nötig und dank der Maßarbeit der Firma Ribas auch erfolgreich. Denn die Schäden am Mauerwerk sind weitaus größer als zunächst angenommen. Manche Risse sind kaum zu sehen, andere sind so groß, so dass man sogar eine Hand reinstecken kann.

Parallel zu den Bohrungen haben die Restauratoren der Firma Ehmann eben diese Risse mit Füllmaterial verpresst und verbliebene Putzreste gesichert. Teilweise noch aus der Bauzeit um 1400 sind farbige Putzschichten aufgetaucht – insgesamt bis zu 14 Aufträge. Der Denkmalschutz erfordert es, dass auch geringe Reste davon – so genannte Putzinseln – zu konservieren sind. Im Gewölbe des Chorraums mussten außerdem größere Flächen mit feinem Mörtel hinterfüllt werden, damit sie nicht herunterfallen.

Musterflächen im Januar

Die Bohrungen werden bald abgeschlossen sein, die Arbeit der Restauratoren wird sich dagegen noch über viele Monate hinziehen. In den nächsten Wochen werden sie Hand in Hand mit einer weiteren Firma arbeiten, die einzelne Steine auswechseln und ergänzen. Bis Ende Januar soll dann eine Musterfläche fertig sein, an der ein Restaurationsverfahren ausprobiert und das endgültige Aussehen auf seine Wirkung untersucht wird.

Wie schon früher beschrieben, sollen die Schäden an den Wänden wahrnehmbar bleiben, aber nicht ins Auge fallen. Das bedeutet, dass die abgeplatzten Stellen nicht vollständig ergänzt werden, sondern nur gesichert und geglättet. Eine einheitliche Oberfläche durch einen mineralischen Anstrich wird den Effekt haben, dass die Schäden erst auf den zweiten Blick auffallen werden.

Dächer über dem Chorraum und der Sakristei

Bereits im letzten Herbst wurde der Dachstuhl über dem Chorraum restauriert. Dabei wurden sowohl Feuchtigkeitsschäden an den Unterseiten der Balken (Sanierung) als auch die Brandschäden an den oberen Enden behoben. Nachdem nun die statischen Maßnahmen abgeschlossen sind, kann das Dach auch gedeckt werden. Ebenso wird der Dachstuhl der Sakristei neue aufgebaut und gedeckt. Diese beiden Dachflächen werden das erste sein, was nach außen sichtbar fertig wird.

Planungen werden konkreter

Während die einen in der Kirche arbeiten, planen die anderen in ihren Büros die nächsten und übernächsten Schritte. Im Gemeindesaal treffen sich regelmäßig Architekten, Statiker, Denkmalpfleger, Bauphysiker und Haustechniker zu Besprechungen.

Ein Hauptgegenstand der Planung ist der Fußboden in der Kirche. Zum einen besteht der Wunsch nach einer energieeffizienten Fußbodenheizung. Zum anderen ist eine Idee des Architekten Florian Nagler, den nach dem Brand freigelegten historischen Boden als den neuen Bodenbelag der Kirche zu verwenden. Diese Idee wird inzwischen vom Amt für Denkmalpflege unterstützt. Auch im Chorraum wird es den Versuch geben, die Bodenplatten aufzunehmen und über einer Heizung wieder einzubauen.

Ein finanzieller Kraftakt

Auch was die Finanzen angeht, werden aus den Schätzungen zunehmend belastbare Zahlen. Die reinen Baukosten werden momentan auf rund sechs Millionen beziffert. Mit den Planungskosten und einem Puffer für Unvorhergesehenes reichen die Prognosen aber bis zu dem Betrag von zehn Millionen.

Ein Gutachter der Versicherung und ein von der Gemeinde bestellter Gutachter handeln miteinander aus, welche Kosten übernommen und welche die Gemeinde tragen muss. Das Presbyterium wird vor jedem Bauabschnitt die finanziellen Belastungen mit den verfügbaren Mitteln vergleichen und notfalls auch von Maßnahmen Abstand nehmen, die nicht so elementar sind oder zurückgestellt werden können.

Bauzeit verlängert sich – bis Ende 2017

Durch die zusätzlich entdeckten Schäden, aber vor allem aufgrund der aufwändigen bevorstehenden Arbeiten reicht der Bauzeitenplan inzwischen bis an das Ende des Jahres 2017. Mit dem Einbau der Orgel ist sogar erst im Frühjahr 2018 zu rechnen.

Diese Hiobsbotschaft hat das Presbyterium zum Anlass genommen, noch einmal über die bevorstehenden zwei Jahre nachzudenken. Die Gemeinde soll in das Baugeschehen mehr hinein genommen werden. Und die Gemeinde soll die öffentliche Aufmerksamkeit nutzen, um auch auf sich – und nicht nur die Kirche – aufmerksam zu machen.

Das ist der Hintergrund für das Baucafé und die kurzristige Renovierung des Gemeindesaals.


Georg Rieger, Koordinator des Wiederaufbaus